Shantys sind die Arbeits- und Freizeitlieder der Seeleute auf den großen Segelschiffen des 19. Jahrhunderts.
Nach der Zeit der Seekriege konnte sich die Handelsschifffahrt auf den Weltmeeren entfalten. Rohstoffe, Gewürze und Genussmittel wurden um die ganze Welt transportiert. Neue, große, wagemutig konstruierte und getakelte Schiffe entstanden und schon bald war die Höchst- und Endform des Segelschiffbaus erreicht: der schnittige Klipper. Diese Schiffe konnten nur mit einem Großaufgebot von Männern bei jedem Wetter manövriert werden. So bildete sich auf diesen Schiffen einer der schwersten Berufe heraus, die es je gegeben hat. Denn Leben und Arbeit auf einem Segelschiff waren unvorstellbar hart. Um diese schwere Arbeit zu bewältigen, war das gemeinsame Singen sehr bedeutsam. Der Gesang gab den Arbeitstakt an und unterstützte bei der körperlich schweren Mannschaftsarbeit Rhythmus und Gleichmäßigkeit von Bewegungen und Handgriffen. Derartiger Gesang wurde erstmalig Ende des 15. Jahrhunderts von einem auf einer Galeere reisenden Mönch als „Arbeitslieder der Matrosen“ beschrieben. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Gesänge als Shantys bezeichnet, vermutlich vom „chantez“ französisch sprechender afro-amerikanischer Schauerleute aus New Orleans.
Shantys sind in der Regel Wechselgesänge zwischen dem Vorsänger, dem Shanty-Man und dem Chor der Mannschaft. Ein guter Shanty-Man war in der Lage, die Strophen zu variieren und damit Stimmung und Wünsche der Mannschaften widerzuspiegeln. Die Kapitäne heuerten gerne einen guten Shanty-Man an, denn nach einer sprichwörtlichen Redensart konnte dieser über die Effektivität des gemeinsamen Kräfteeinsatzes der Mannschaft zehn Arbeitskräften gleichgesetzt werden.
Einige Shantys erklangen zu genau bestimmten Arbeitsvorgängen: Das Short-Haul-Shanty erklang zum Straffen eines Taues in kurzen kräftigen Zügen. Die Fall- oder Halyard-Shantys begleiteten das länger ausholende Ziehen beim Segelsetzen. Das Walk-away-Shanty wurde gesungen, wenn alle Mann mit dem Tau über Deck marschierten, um es anzuspannen, wenn ein leichtes Segel schnell gehisst werden sollte. Es gibt Gangspill- oder Capstan- und Pump-Shantys zum Arbeiten an der Ankerwinde oder an den Pumpen. Eine besondere Gruppe bilden die Forecastle-Shantys, die Freizeitlieder, die in der Unterkunft oder bei schönem Wetter vorn auf der Back gesungen wurden. So entwickelte sich Shanty-Singen als einducksvolles Zeugnis internationaler Folklore seefahrender Nationen.